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Presseschau

21.07.1973, Schützenverein Cappenberg - Festschrift zum Schützenfest 1973

Cappenberg und der 2. Weltkrieg

Wegen seiner geographisch günstigen Lage am Nordrand des Industriegebietes und auch wegen der sich im Schloß und der näheren Umgebung anbietenden Unterbringungsmöglichkeiten war Cappenberg seit Kriegsbeginn Sitz wichtiger Kommandostellen. Schon im ersten Kriegsjahr etablierte sich im Schloß unter Oberst von Hippel der Stab einer Flakbrigade, der die Luftabwehr zwischen Ruhr und Lippe anvertraut war.

So wurde Cappenberg zeitweilig Garnison. Der Wasserturm des Schlosses war mit einer ständigen Flugwache besetzt; um Cappenberg herum lagen an verschiedenen Stellen Scheinwerferbatterien, die des Nachts die anfliegenden Feindflugzeuge aufzuspüren hatten. Eine Scheinwerferstellung stand längere Zeit auf dem Weinberg, eine andere in der Nähe des Hofes Schürmann und eine dritte am „Krusen Bäumchen“ bei Übbert. Gegen Kriegsende waren die Flakstellungen vielfach mit dienstverpflichteten Frauen besetzt. Der Brigadestab verabschiedete sich nach etwa zweijährigem Aufenthalt von Cappenberg mit einem von der Regimentskapelle gespielten Großen Zapfenstreich. Nachfolgerin der Flak wurde eine Kommandostelle der Feuerschutzpolizei unter Major Witte. Die Einwohner der umliegenden Häuser fühlten sich durch sie einigermaßen geschützt bei den Gefahren, die durch die immer häufiger werdenden Luftangriffe entstanden. Die heute noch in den Cappenberger Wäldern zu sehenden Trichter beweisen, daß im Verlauf des Krieges viele Bomben gefallen sind.

Doch blieb Cappenberg von größeren Gebäudezerstörungen und Personenschäden verschont. Die erste Bombe, wohl ein reiner Zufallstreffer beschädigte im ersten Kriegsjahr das Haus von Eduard Möllmann in der Baltimora, wobei seine Schwester Frau Ellertmann eine Hand verlor und eine Wohnungsmieterin tödlich verletzt wurde.

Ein weiterer Angriff galt im Frühjahr 1944 der Scheinwerferstellung Schürmann. Er richtete aber nur mäßige Schäden an Unterkünften und an den umliegenden Gehöften an. Am 10. November 1944 schlug eine Fliegerbombe in ein Haus in der Rosenstraße ein, das zur Hälfte zerstört wurde. Opfer unter der Bevölkerung Cappenbergs waren hierbei nicht zu beklagen. Sehr lästig wurden in den letzten Kriegsmonaten die Jagdbomber der Alliierten. Sie beherrschten vollständig den Luftraum. Ein Jagdflieger der Luftwaffe wurde über Hassel beschossen und zerstörte bei der Notlandung eine Scheune des Hofes Lünemann. Der Pilot wurde von der SS unter dem Verdacht der Feigheit vor dem Feind verhaftet und bezichtigt, die Maschine selbst zum Absturz gebracht zu haben. Einzelflieger tummelten sich oft über Cappenberg und beschossen Bahnstrecken in der Nähe, Fahrzeuge auf den Straßen, Gespanne auf den Feldern, ja, sogar Einzelpersonen, die sich im freien Gelände bewegten. Unter diesen Umständen konnten die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Anfangs wurde noch versucht, in Privathäusern kleine Unterrichtsgruppen aufrecht zu erhalten, bis auch dies wegen der ständigen Fliegeralarme nicht mehr möglich war. Nach dem Einmarsch der Alliierten blieben die Schulen noch weiter geschlossen bis zu der zuvor durchgeführten Entnazifizierung der Lehrpersonen. Erst Ende 1945 konnte der Unterricht wieder in vollem Umfang aufgenommen werden. Als letzte Dienststelle quartierte sich im Schloß noch ein Heerespropagandastab ein. Er hinterließ bei seinem Abzug ganze Wagenladungen von NS-Propagandamaterial, die Graf von Kanitz noch eben rechtzeitig vor dem Einmarsch der Alliierten in einem Bombentrichter vergraben lassen konnte.

Von besonderer Bedeutung war für die Cappenberger die Errichtung des „OT-Lagers“. Bei der Organisation Todt handelte es sich um ein Konstruktions- und Baubüro des Reiches, dem die Durchführung der kriegsbedingten Bauaufgaben wie z.B. dem Westwall oder dem Atlantikwall oblag. Gemäß dem in der damaligen Zeit üblichen Bestreben, sachliche Aufgaben mit Personen zu verknüpfen, war die Organisation nach ihrem Begründer, dem Ingenieur Todt benannt worden, der Anfang 1942 tödlich verunglückt war. Im Herbst 1944 erschien eines Tages der Führungsstab der Einsatzgruppe Frankreich, der nach der Invasion in den „Einsatzstab Ruhr“ umfunktioniert worden war. Es wurde, ohne den Grafen von Kanitz als Grundeigentümer auch nur zu fragen, im Südholz westlich der Straße nach Lünen mit dem Bau eines Lagers begonnen, das im Endstadium sieben Baracken, ein Wohnhaus und einen großen Luftschutzbunker umfaßte.

Maßgebende Mitglieder dieser ca. 120 Mann starken Truppe waren Dipl. Ing. Müllejans, der mit seiner Familie das Holzhaus bewohnte, und der Baumaterialverwalter Hönnekens, der sich nach Kriegsende zuerst auf Cappenberg, dann in Altlünen in der gleichen Branche seßhaft machte. Die OT-Leute brachten außer ihrer Büroeinrichtung einen ungeheuren Vorrat – man sprach von 2 Millionen Flaschen – an Spirituosen, Wein und konservierten Lebensmitteln mit, die in den alten Brauereikellern des Gutshofes eingelagert wurden. Dies sagenumwobene Schnapslager der OT diente nach der Kapitulation manchem zur Freude, anderen zum Verhängnis. Den Cappenbergern wurde drei oder vier Tage vor Kriegsende noch ein „Kuckucksei“ ins Nest gelegt. Das Munitionslager der 9. Luftwaffenfelddivision wurde im Kohusholz eingelagert. Einen ganzen Tag bis spät in die Nacht lagerte man mit Hilfe der in der Nachbarschaft mobilisierten Kriegsgefangenen und Ostarbeiter viele tausend Panzerfäuse, Raketen und Granaten aller Kaliber von den heranrollenden Transporten an der Steinbahn im Kohusholz. Doch schon kurz darauf mußte das Lager vor dem anrückenden Feind gesprengt werden. Ein gewaltiger Donnerschlag und ein ungeheures Getöse „läuteten“ in der Nacht zum Karsamstag für Cappenberg das Kriegsende ein. 40 bis 60 Morgen Wald wurden dabei verwüstet, obwohl Oberförster Freywald noch im letzten Augenblick von vielen Stapeln die brennenden Zündschnüre entfernt hatte. Die Restbestände der Munition übten später eine magische Anziehungskraft auf jungen Burschen aus Cappenberg aus, die sich daran verbotener Weise zu schaffen machten. Der 17 Jahre alte Sohn von Franz König, wurde dabei leider von einer explodierenden Granate getötet. Den ganzen Sommer 1945 zündete man an der Kreuzung im Kohusholz die schweren Blindgänger, die überall in der Umgebung ausgegraben hatte. Die dort befindlichen Wasserlöcher sind noch heute stumme Zeugen von den Detonationen die immer mittags das Dorf erschütterten.

Karfreitag hatte der Rest der auf Cappenberg verbliebene Männer noch ein tragikomisches Abenteuer zu bestehen: Volkssturm! Alle hatten Befehl bekommen, sich an der Schule zu stellen, und so traten ca. 25 Männer vor dem Polizeiwachtmeister und Ortsgruppenleiter Wenderoth, der dazu seinerseits von höherer Stelle Befehl erhalten hatte, mit Mundvorräten und Decken bewaffnet an. Wenderoth stellte sofort aus eigener Machtvollkommenheit Bauern, Melker, Feuerwehrmänner, Lebensmittelhändler usw. zur Versorgung der Bevölkerung frei. Der Rest sollte sich unter dem Kommando des ehemaligen Unteroffiziers Josef Dierse zum Sammelpunkt der zurückflutenden deutschen Armee in Richtung Paderborn durch den Wald in Marsch setzen. Vergeblich versuchte der unaufgefordert ebenfalls erschienene Oberstleutnant Graf von Kanitz, ihn von diesem Vorhaben abzubringen.

Doch die „wackeren“ Cappenberger hatten wohl begriffen, was Wenderoth mit dem mehrfach betonten Zusatz „durch den Wald“ hatte sagen wollen. Sie marschierten also los durch den Wald und nahmen in ihm „volle Deckung“ bis zum Kriegsende, das für Cappenberg am folgenden Tag eintrat.

Karsamstag wehten an allen Häusern auf Cappenberg weiße Fahnen und die amerikanische Panzerspitze rückte kampflos ein. Sie kam nicht, wie erwartet, von Westen her, sondern von Norden über Selm und Südkirchen. General Montgomery hatte mit seinen Heeresgruppen, von Remagen und Wesel ausgehend, das Ruhrgebiet in einer gewaltigen Zangenbewegung umfaßt. Kurz vor dem Einmarsch hatte auch der letzte OT-Mann, Bormann mit Namen, der das Schnapslager bewachen hatte, Cappenberg verlassen. Alles, was weit und breit davon Wind bekommen hatte, stürzte sich nun auf die Vorräte. Deutsche Soldaten, Polen und Russen, Einheimische und Auswärtige, Männer, Frauen und Kinder trugen davon soviel sie nur tragen konnten. Ein Leutnant mit seiner in Lünen liegenden Truppe konnte gerade noch in seinem Kübelwagen entkommen, als bei Kreutzkamp die ersten Panzer um die Ecke bogen. Doch als Herr Jucho, Inhaber einer bekannten Dortmunder Brückenbaufirma, bei der alten Oberförsterei mit seinem Wagen in die Pappelallee einbiegen wollte, geriet er in eine MG-Garbe der vorrückenden Panzer. Ihn traf es tödlich, sein Begleiter Herbrechter wurde schwer verletzt. Augenzeugen berichteten, daß Jucho vom Brauereiknapp Richtung Kreutzkamp fahren wollte. Als er die Panzer um die Ecke biegen sah, versuchte er rückwärts zu entkommen. Daraufhin eröffneten die Panzer das Feuer. Gesehen wurde dies von einigen Cappenbergern, die sich in nächster Nähe in den Gräben und hinter Hecken befanden und auch auf dem Weg von der Brauerei zum Dorf  waren.

Am Ostermorgen, dem 1. April 1945, bot Cappenberg bei strahlendem Sonnenschein ein ebenso kriegerisches wie friedliches Bild. Panzer und sonstige Militärfahrzeuge waren in Kreutzkamps Appelhof und auf allen Wegen und Plätzen aufgefahren. Dazwischen standen die Kinder und ließen sich von gutmütigen farbigen Soldaten mit Süßigkeiten beschenken, die sie in den Kriegsjahren nur noch vom Hörensagen her kannten. Ostarbeiter mit vollen Flaschen taumelten durch die Straßen und spendeten freigiebig den Deutschen, die von dem „OT-Segen“ leer ausgegangen waren. Überall herrschte Freude und Erleichterung über das Ende des Bombenkrieges und die sonstigen Kriegsmühlsale. Aber schlimme Zeiten standen noch bevor.

Die zahlreichen Arbeitskräfte, die die deutsche Führung zur Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft aus den besetzten Gebieten hereingeholt hatte, wurden nun zur Plage. Sie waren nicht wie die Kriegsgefangenen in Lagern eingsperrt gewesen, sondern durften sich in begrenztem Umfang frei bewegen. Sie betrachteten sich nun als von den Alliierten befreit. Von der Besatzungsmacht wurden sie nach Volkszugehörigkeit bis zu ihrem Abtransport in Lagern untergebracht.

Auf Cappenberg bot sich dazu das frei gewordene OT-Lager im Südholz an, das mit Polen belegt wurde. Diese überfielen nun einsam gelegene Gebäude und Höfe. Da den Deutschen jeglicher Waffenbesitz bei Todesstrafe verboten war, versuchten sich die Bauern mit mittelalterlichen Methoden zu wehren. In den Erdgeschossen der Häuser wurden allabendlich Fenster und Türen mit Holz verbarrikadiert, an den darüberliegenden Fenstern Pflastersteine und kochendes Wasser zur Abwehr der Angreifer bereitgehalten. Teilweise baute man an den Aufgängen zu den oberen Stockwerken der Häuser Eisentüren ein, um Eindringlinge von den Schlafzimmern der Frauen und Kinder fernzuhalten. Die nunmehr englischen Besatzungstruppen kümmerten sich wenig um die Not und Angst der Menschen vor nächtlichen Überfällen. Teilweise wurden Lampen so konstruiert, daß sie den Scheinwerfen von Militärjeeps bei Nacht ähnelten, um Plünderer zu vertreiben. Nachdem Belgier auf Wache standen, hörten die Überfälle auf. Willi Bielefeld wurde auf dem Schulweg nach Cappenberg noch der Tonister gestohlen. Bei Altcappenberg wurde gegen die Überfälle eine Wache mit MG stationiert. Später war bei Bielefeld auf dem Dach eine Sirene installiert. Andere Häuser standen durch Feldtelefone in Verbindung. Es bildeten sich mit Knüppeln bewaffnete Schutztrupps zum Schütz der Bürger, die den Plünderern ihre Beute auch schon mal wieder abnahmen.

Die Lagerinsassen betätigten sich auch als Wegelagerer. Wer mit dem Fahrrad oder mit einem Guten Mantel unterwegs war, lief Gefahr, daß ihm die Sachen abgenommen wurden. Mit ihrer Beute feierten die Polen rauschende Feste und sogar Hochzeiten. Nicht weniger als einen ganzen Jahrgang von tragenden Jungrindern stahl man Schulze Altcappenberg von der Weide und dazu wurde er noch durch Drohungen gezwungen, die Brautpaare mit seinem Kutschwagen zweispännig zur Trauung zu fahren. Pfarrer Schnieder mußte von Juni bis September 1945 21 Ausländerpaare trauen; die entsprechenden Eintragungen finden sich in den Kirchenbüchern. Rückblickend ist zu sagen, daß Cappenberg mit dem Ausländerlager noch glimpflich davon gekommen ist, wenn man bedenkt, daß andernorts ganze Ortschaften zur Unterbringung der Ausländer geräumt werden mußten und daß in der Umgebung eine Reihe von Bauern bei den nächtlichen Raubüberfällen zu Tode gekommen sind.

Zu den weiteren Nachkriegsplagen gehörte auf Cappenberg die Einquartierung. Die amerikanischen Panzerspitzen hielten sich nur drei oder vier Wochen auf. Sie nahmen die Reste des Schnapslagers, das sie unter Verschluß genommen hatten, mit. Ihnen folgten Belgier, dann Engländer. Fast alle Häuser im Ortskern in der Woche nach Ostern 1945 binnen einer Stunde geräumt werden. In der Villa Ebrecht, damals Versen, richtete sich die Kommandantur ein. Die Eigentümer mußten sich in Abstellräumen, Dachböden und Ställen Notunterkünfte suchen. Zum Unglück wohnten hier zur Zeit auch noch viele Bombengeschädigte aus dem Ruhrgebiet. Der sonntägliche Frühschoppen fand monatelang in Kreutzkamps Brennerei statt. Sie war zu der Zeit außer Betrieb. Statt alkoholischer Getränke gab es Suppe. Das Schloß hatte die Royal Air Force belegt, die Schloßbewohner fanden ihre Bleibe in der Villa Bolte-Heinersdorf. Die Engländer benahmen sich allgemein korrekt, was man von den Belgiern nicht gerade behaupten konnte. Die Einquartierung dauerte noch während des ganzen Jahres 1945 an. Erst im Januar 1946 wurden die letzten Häuser wieder frei. Nach und nach fanden sich auch die Kriegsteilnehmer, die in Gefangenschaft geraten waren, wieder zuhause ein; als letzter von ihnen der Schmiedemeister Willi Aschhoff im Dezember 1949. Die Kriegsverluste waren hoch, 68 Gefallene und Vermißte hatte das Dorf zu beklagen. Ihrer gedenkt der Schützenverein alljährlich am Volkstrauertag und in einer Feierstunde bei den Schützenfesten.